Braucht es noch Freifächer?
Die Freifächer bieten einen guten Ausgleich zum eher stressigen Schulalltag an der Hohen Promenade. Es gibt eine Vielfalt von Freifächern zur Auswahl; von «Sezieren und Präparieren» zum «Schwarz-Weiss-Fotokurs», von Basketball bis Power-Yoga. Dazu kommen noch zahlreiche Sprach- und Kulturfreifächer, zum Beispiel Spanisch oder Religion und Kulturen.
Doch von rund 750 Schülerinnen und Schülern an der HoPro besuchen nur rund 120 ein Freifach, was einem Prozentanteil von etwa 15% entspricht. Ein grosser Teil der Freifächer kann aus Mangel an Anmeldungen gar nicht durchgeführt werden. Sind also Freifächer überhaupt noch zeitgemäss, zumal viele Schülerinnen und Schüler in ihrer Freizeit Hobbys nachgehen wie Musik und Sport – ja, braucht es Freifächer überhaupt noch?
Sportlehrer Mathias Roth findet Freifächer eine «wunderbare Sache» und glaubt, dass Schülerinnen und Schüler sehr gerne Freifächer besuchen. Er unterrichtet das Freifach «Basketball Mixed» für Zweit- bis FünftklässlerInnen. Sein Sportfreifach sei eine gute Möglichkeit, sich über einen längeren Zeitraum mit einer Sportart zu beschäftigen und Fortschritte zu machen, «ohne sich für Meisterschaftsspiele oder Wettkämpfe zu verpflichten», wie er anfügt.
Die Lehrpersonen, welche sich die Zeit nehmen, um solche Freifächer anzubieten, sind aber auch auf die Anmeldungen von den Schülerinnen und Schülern angewiesen. In einer Instagram-Umfrage des springenden punkts (@dsphopro) geben Schülerinnen und Schüler, die sich noch nie für ein Freifach angemeldet haben, an, es sei, weil sie zu wenig Lust oder Zeit, oder weil sie sich nicht mit dem Angebot auseinandergesetzt hätten.
Daniel Monn bietet das Freifach «Religion und Kulturen» an, das für die ErstklässlerInnen zustande gekommen ist, für die ZweitklässlerInnen jedoch nicht. Er stellt einen zunehmenden Mangel an Interesse an seinem Freifach fest: «Das Thema Religion in der Lebenswelt der Jugendlichen hat immer weniger Bedeutung. In unserer hochdifferenzierten und beschleunigten Welt werden existentielle Fragen wie Krankheit, Gerechtigkeit, Gott und Tod mehr an den Rand gedrängt oder auf später vertagt.»

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Ob die kantonalen Sparmassnahmen im Bereich der Bildung einen Einfluss auf das Freifachangebot haben? «Nicht konkret», antwortet Daniel Monn und fügt an «bis jetzt». «Ja», sagt Mathias Roth: Die Mindestanzahl an Teilnehmenden sei höher gesetzt und dadurch kämen weniger Freifächer zustande. Rektor Konrad Zollinger sagt im Interview mit dem springenden punkt (das ihr hier nachlesen könnt), dass er es schade fände, wenn er Freifächer zusammenstreichen müsse aufgrund der Sparmassnahmen. «Auf der anderen Seite hätten die Schülerinnen und Schüler aber auch die Möglichkeit, auf das Private auszuweichen».
Als zusätzliches Problem streicht Mathias Roth hervor, dass Freifächer nur zu bestimmten Zeiten stattfinden, zumeist Randzeiten, weil er für sein Freifach sonst gar keine Sporthallen zur Verfügung habe. Es ist ein Dilemma, mit dem sich viele von euch wahrscheinlich auch schon konfrontiert gesehen haben: Ich entdecke ein Freifach, das mich brennend interessiert, doch ich melde mich nach langem Überlegen dann doch nicht dafür an – ich habe schlicht nicht die Zeit und Lust, nach einem anstrengenden Schultag noch zwei Stunden in der Schule zu bleiben.
Auch dass das Freifachangebot an der HoPro so breitgefächert ist, hat einen bitteren Beigeschmack: «Je vielfältiger die Freifächer sind, desto stärker besteht die Gefahr, dass sich Freifächer gegenseitig Schülerinnen und Schüler wegnehmen», bedauert Prorektorin Gabriella Valisa.
Man darf das Thema Freifächer nun aber nicht nur durch die Brille der Schwarzmalerei betrachten: Laut derselben Instagram-Umfrage des springenden punkts, die nicht repräsentativ ist, haben sich bereits 67 Prozent der Schülerschaft schon einmal für ein Freifach angemeldet. Nicht zuletzt sind es Freifächer, die für jahrgangs- und klassenübergreifende «Verbindungen» sorgen, wie es Mathias Roth ausdrückt.
Daniel Monn sah sich durch den Mangel an Anmeldungen gezwungen, zu diversifizieren: Er schrieb für das Frühlingssemester 2019 das Freifach «Nationalsozialismus als Ersatzreligion» aus, das auch prompt zustande gekommen ist, und bietet für das Medien-und-Gesellschaft-Projekt (M&G) in der vierten Klasse einen Kurs mit dem Thema «Religion im Internet» an.
Dem Mangel an Interesse seitens der Schülerschaft kann man auch mit Werbung entgegenwirken. Allerdings, erklärt Daniel Monn, könne man für das Freifach keine Werbung im eigentlichen Sinne machen. Es bliebe nur die Möglichkeit der Ausschreibung und die Mundzumundpropaganda. Auch Mathias Roth weist die Schülerinnen und Schüler jeweils mündlich auf sein Freifach hin. Er sieht in diesem Bereich Verbesserungspotential und schlägt vor, die angebotenen Freifächer auszuhängen, «da es immer wieder Schülerinnen und Schüler gibt, die nichts von den Freifächern mitbekommen.»
Ausserdem schlägt Mathias Roth vor, die Freifächer zu einem fixen Zeitpunkt fest in den Stundenplan zu setzen, «damit alle Klassen dann keinen regulären Unterricht hätten und alle Interessierten an den Freifächern teilnehmen könnten.» Er schlägt dafür zum Beispiel eine Doppelstunde am Freitagmittag vor und präzisiert: «So wird das zum Beispiel am MNG Rämibühl gemacht, wo ich bis vor drei Jahren unterrichtet habe.»
Nach den Gesprächen für diesen Artikel bin ich nach wie vor überzeugt: Es braucht Freifächer. Auch dass sie noch zeitgemäss sind, beweist zum Beispiel Daniel Monn, indem er seine Themen etwas der Popkultur anpasst. Doch darüber, ob es Freifächer auch in Zukunft geben wird, entscheiden wir, die Schülerinnen und Schüler, ganz allein mit unseren Anmeldungen und unserem Interesse für die angebotenen Freifächer. So verspricht Prorektorin Gabriella Valisa: «Die Freifächer sollen bei ihrem jetzigen Stand bleiben – wenn sich die SchülerInnen auch weiterhin dafür interessieren.»
Mitarbeit: Jossi Schütt