Interview mit Rektor Konrad Zollinger über Klimastreiks und Sparmassnahmen
Herr Zollinger, was halten Sie von den Klimastreiks?
Einerseits freut es mich, dass junge Menschen sich für Politik einsetzen – und für dieses konkrete Thema erst recht. Das gehört ja auch dazu, dass man als Gymnasiast/in in der Gesellschaft später einmal Verantwortung übernimmt. Aber mit dem Teil «Streik» kann ich mich natürlich nicht identifizieren.
Wie reagieren Sie als Schulleitung auf diese Streiks?
Zunächst reden wir einfach einmal mit diesen Schüler/innen. Wir probieren, ihnen klarzumachen, dass wir die Streiks inhaltlich nachvollziehen können, dass sie aber zugleich nicht gegen die Schule gerichtet sein dürfen. Das wäre inhaltlich falsch. In der Schule bieten wir, so hoffe ich, die Grundlagen, um überhaupt die ganzen Umweltfragen zu verstehen. Es macht daher Sinn, in die Schule zu gehen.
Aber gerade weil es sich um Streiks handelt, hat das doch an der Schule eine Debatte ausgelöst. Das ist ja eigentlich etwas Gutes?
Ja, das sehe ich auch so. Ich kann auch gut leben mit der Situation, so wie sie jetzt ist. Die Klimastreiks haben bei uns in der Schule etwas ausgelöst: Wir sprechen jetzt darüber und sie kommen in den springenden punkt, mein Kommentar im HoProlog wird auch davon handeln und ich gehe davon aus, dass das Ganze hat auch eine Auswirkung auf den Unterricht. Sie werden sehen, die Streiks werden noch mehr auslösen.
Was passiert konkret mit Schüler/innen, die an einem der Streiks teilnehmen?
Diese Schüler/innen haben einen Auftrag bekommen. Sie müssen einen Text über das Thema schreiben: Was können sie konkret machen, was kann die Schule konkret machen gegen den Klimawandel? Diese Texte schreiben sie in der Freizeit und es ist eine Art Strafe. Aber wir schicken diese Schüler/innen nicht einfach putzen. Wenn es mit den Streiks weitergehen sollte, dann müssten wir mit der Zeit das normale Disziplinarreglement anwenden.
Gewiss Schulen vermerken eine Streikteilnahme als unentschuldigte Absenz. Die HoPro nicht?
Nein, das macht auch keinen Sinn: Was ist schon eine unentschuldigte Absenz? Bei uns im Zeugnis gibt es das gar nicht. Das sagt also gar nichts aus. Man kann das als Drohung in den Raum stellen, aber es hat gar keinen Inhalt.
Haben Sie das so abgesprochen mit den anderen Gymis?
Ich weiss, dass es nicht alle gleich machen, aber selbstverständlich sind wir im Gespräch miteinander.
«Als Gymischüler/in an einem Klimastreik teilnehmen ist eine grosse Leistung.» Was sagen Sie zu dieser Aussage?
Ich sehe diese «grosse Leistung» nicht. Zusammen mit der ganzen Schulleitung und ein paar LehrerInnen war ich am Samstag (2. Februar) an der Klimademonstration und war beeindruckt. Ich bin sehr gern gegangen, weil ich diese Inhalte stark teile. Es freute mich, dass so viele Leute gekommen waren. Es ist eine gewisse Leistung, an eine Demonstration zu gehen; setzt man sich doch in seiner Freizeit für etwas ein. Aber ich würde das nicht überbewerten. Es ist auch ein Privileg, in einer freien Gesellschaft zu leben und überhaupt demonstrieren zu dürfen.
Wenn Sie in unserem Alter wären, würden Sie an einen solchen Klimastreik gehen?
(lacht) Das ist sehr schwierig zu sagen. Damals waren es völlig andere Ziele, für die man demonstrierte. Als ich in Ihrem Alter war, ging es nicht um Klimafragen, sondern um Gesellschaftssysteme. Man wäre also an marxistische oder trotzkistische Demonstrationen gegangen. Ich habe mich zwar sehr dafür interessiert, aber ich bin nie gegangen. Irgendwie war es mir fremd, zu demonstrieren.
Wir trafen an der Demonstration wenige HoPro-Schüler. Wir befragten auch danach einige Schülerinnen auf den Gängen der HoPro, die sinngemäss sagten – das ist natürlich nicht repräsentativ – : «Sollen die doch demonstrieren, aber was bringt’s schon?». An anderen Gymis sind die Streiks eine riesige Sache. Wieso unterscheiden sich die Gymis in diesem Bereich so stark?
Ich weiss auch nicht, womit das zusammenhängt. Aber sind die Unterschiede wirklich so gross? Man müsste das genauer untersuchen. Die Frage wäre ja, ob unsere SchülerInnen den Streik ablehnen oder das Engagement für das Klima.
Glauben Sie denn, dass diese Klimastreiks und Klimademos etwas bringen werden?
Es müsste eine noch viel stärkere Bewegung werden, so wie die Demonstration am Samstag. Aus meiner Sicht ist jetzt etwas begonnen – und natürlich meine ich nicht den Streik, sondern die Demonstrationen –, es müssten aber noch viel mehr Leute zusammenkommen. Dann hätte die Bewegung Gewicht.
Für Freitag, den 15. März, ist der nächste Klimastreik angesagt. Glauben Sie, dass es mit den Streiks noch weitergehen wird?
Ich gehe davon aus, dass man davon wieder hören wird. Meine Hoffnung wäre, dass es eher so wie am letzten Samstag weitergehen würde. Zahlenmässig überstieg die Demonstration am Samstag ja alles Vorherige bei weitem. Von mir aus hätten die Medien auch noch etwas stärker berichten dürfen, zumal Zürich schon länger keine gleich grosse Demonstration erlebt hat wie diese am Samstag.
Was könnte die HoPro selbst tun, um dem Klimawandel entgegenzuwirken?
Ich glaube, es gibt zwei verschiedene Ebenen. Einerseits geht es um das Verständnis dieses Themas, man muss begreifen, um was es überhaupt geht. Dafür unterrichten wir die Naturwissenschaften. Ein sehr grosser Teil der Bevölkerung versteht im Grunde alle diese Prozesse überhaupt nicht. Man spricht davon, dass man weniger Plastik entsorgen soll oder dass man weniger Auto fahren soll oder weniger fliegen. Das ist ja nicht falsch, aber zentral wäre, dass man wirklich verstünde, was abläuft und was auch unsere technischen Möglichkeiten sind. Es sind letztlich technische und wissenschaftliche Fragen, die zu lösen sind.
Und die andere Ebene?
Wir müssen uns immer wieder überlegen, wo wir uns in unserem Handeln verbessern können. Das war ja unser Auftrag an die Schüler/innen, die gestreikt haben… Ich bin gespannt auf die Texte.
Wie wäre es zum Beispiel, wenn man auf Maturreisen das Fliegen verböte?
Das war einmal so an der HoPro.
Wieso führt man es nicht wieder ein?
Das hätte schon eine gewisse Wirkung. Es sind ja nicht wahnsinnig viele Flüge, die wegfallen würden (lacht).
Nun ja, wenn man die Flüge zusammenzählt, kommen da aber schon einige Tonnen an CO2-Emissionen zusammen…
Da haben Sie vollkommen recht. Nur – wenn ich mir überlege, was während eines Jahres alles zusammenkommt von den Ferienflügen eines Teils unserer Schüler/innen: Das ist ein Vielfaches! Aber klar hätte ein solches Verbot eine Wirkung, wir würden uns der ganzen Problematik auch stärker bewusst.
2016 gab es den Tag der Bildung, Schülerinnen und Schüler demonstrierten gegen Sparmassnahmen in Bereich der Bildung, und jetzt gibt es die Klimastreiks. Die Jugend wird immer politischer?
Sie wird politischer, das stimmt. Man sagte ja eine Zeitlang, sie sei sehr unpolitisch. Ich glaube, die Jugend war einmal viel politischer als heute…
…1968?…
…Ja, auf jeden Fall, und 1987, als ich begonnen habe zu Unterrichten. Aus meiner Sicht hat die Jugend sich danach sehr zurückgezogen und stark auf sich selber beschränkt. Und jetzt wird man wieder politischer, das glaube ich auch. Und ich begrüsse das sehr.
Sprechen wir über die Sparmassnahmen in der Bildung: Im Schulhaus gibt es viele Gerüchte, was von den Sparmassnahmen betroffen ist und was nicht. Was sind also konkret die Folgen dieser Sparmassnahmen?
Unsere Schule hat ein Budget von ungefähr 18 Millionen Franken im Jahr, und der grösste Teil davon sind Löhne. Wenn ich also sparen muss, dann kann ich das nur dort tun. Ich kann aber Löhne nicht senken, weil sie auf einem vorgegebenen System beruhen. Als einziges kann ich weniger Klassen machen oder weniger Lektionen. Je grösser die Klassen und je weniger es davon gibt, desto billiger ist es. Seit ich 2010 Rektor geworden bin, sind die Klassen im Schnitt klar grösser. Die Schülerinnen und Schüler spüren das auch.
Inwiefern?
Man sitzt in einem Raum mit mehr Schülerinnen und Schülern drin. In Diskussionen wird es dann vielleicht etwas schwieriger und es könnte sein, dass Störungen zunehmen – das ist aber nicht zwingend.
Und notenmässig?
Ich glaube nicht, dass es grosse Auswirkungen auf die Noten hat. Das konnten wir so nicht feststellen.
Was ist mit Freifächern und Präferenzkursen (PK)?
Ich könnte weniger Freifächer oder PK machen. Für mich ist aber vollkommen klar, dass ich bei den PK nur im Notfall Abstriche machen, denn das wäre sehr einschneidend. Bei den Freifächern sehe ich das ähnlich. Ich fände es schade, wenn wir Freifächer zusammenstreichen müssten, dort hätten die Schüler/innen aber auf der anderen Seite auch die Möglichkeit, auf das Private auszuweichen.
«Auch in der Bildung muss der Mitteleinsatz verbessert werden», schrieb die SVP Zürich nach dem Tag der Bildung. Sinngemäss: Wenn überall gespart wird, dann muss halt auch in der Bildung gespart werden. Was ist Ihr Kommentar zu diesem Zitat?
Es muss dort gespart werden, wo man zuvor grosszügig Geld ausgegeben hat. Und ich bin nicht der Meinung, dass man das in der Bildung gemacht hat. Ich verstehe, dass man immer wieder schauen muss, ob Geld für Unnützes ausgegeben wird, allerdings ist es so: Unsere Bildung kostet viel, bringt aber gleichzeitig das Geld nachträglich wieder ein. Die Ausbildung führt die Schüler/innen zum Beispiel zu Berufen, bei denen sie viel Geld verdienen können, das sie dann wieder ausgeben. Man könnte also fast schon sagen, wir seien eine Geldmaschine (lacht).
Zuerst der Tag der Bildung und jetzt die Klimademonstrationen: Lehrer instrumentalisieren Schüler, damit diese für ihre eigenen Anliegen demonstrieren?
Das ist natürlich vollkommener Blödsinn. Es ist schlicht und einfach Teil der Bildung, sich mit solchen Fragen wie dem Klima zu beschäftigen. Unsere Schülerinnen und Schüler sind nicht so blöd, dass sie das mit sich machen liessen. Und so etwas könnten wir uns auch nicht leisten.
Und zuletzt noch: Gibt es Neuigkeiten bezüglich des Ping-Pong-Tischs für den Lichthof?
Noch nicht, aber wir bleiben dran. Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit, nur schon rein baulich. Wir müssen genau abklären, wie der Boden der Ellipse begangen und belastet werden darf. Als Schulleitung sind wir nur Nutzer eines Gebäudes. In baulichen Fragen können wir weder entscheiden noch besonders aktiv werden. Darum geht das auch so lang, alles muss übers Amt.
Wie sieht der Zeitplan ungefähr aus?
Ich gehe davon aus, dass wir bis zu den Sommerferien wissen, was überhaupt machbar ist. Aber es braucht Geduld. Basketballkörbe oder Ping-Pong-Tische an anderen Orten sind einfacher aufzustellen, aber der Lichthof ist halt einfach hochkomplex (lacht).
Herr Zollinger, herzlichen Dank für das Interview.
Danke Ihnen.