Soundcloud-Rap – die Punk-Generation des Hip-Hop?
Gastbeitrag von Nicolás Lussi*
Bombastischer Trap und einfache Texte über Drogen, Sex und Luxus. Bildungsnahe Jugendliche aus gutbürgerlichem Hause, die in ihrer Freizeit die Rolle der «Hip-Hop Polizei» übernehmen, fühlen sich von dieser Art Musik auf persönlicher Ebene angegriffen und suchen Zuflucht in der Musik von Kendrick Lamar. Bei dieser «banausischen» Musik handelt es sich natürlich um die Musik von Lil Yachty, Lil Pump und Konsorten. Diese jungen Rapper begründen den sogenannten «Soundcloud-Rap», der die Hip-Hop Szene zunehmend polarisiert. Der Name stammt von einer digitalen Musikplattform, von der aus diese Rapper ihre Lieder veröffentlichen. Ihre Musik ist primitiv, aggressiv und bedient sich reichlich an lautem, verzerrtem Bass. Obendrein sind ihre Texte derart simpel, dass sich grosse Texter wie Tupac und Biggie im Grab umdrehen würden. Ein solcher Bruch mit allen Konventionen und Traditionen des Genres ist Neuland für Hip-Hop. Aber vor circa vierzig Jahren befand sich die Rock- und Popmusik in derselben umstürzlerischen Situation und daran will ich auch meinen Vergleich anbringen.
Man könnte die Punk-Bewegung mit einem Elefanten in der Porzellankiste der Rockmusik vergleichen, nur dass dieser Elefant das ganze kostbare Material mutwillig und laut lachend zerstören wollte. Die Punkmusik verfolgte nur ein Ziel: Alles, was vor ihnen gekommen war, zu hinterfragen und zu missachten. Zurzeit war es praktisch unmöglich, im Pop-Mainstream auf Anerkennung zu stossen, wenn man keine 15-minütigen Gitarrensoli spielen oder prätentiöse «Pop-Symphonien» schreiben konnte. Die Punks lehnten diese Regeln klar ab und machten einfach Musik, die ihrem Können entsprach. So entstanden kurze, auf zwei Akkorden aufgebaute Lieder, die der verkrusteten, langweiligen Rockmusik ins bärtige Gesicht spuckten. Und hier liegt auch die Gemeinsamkeit zu den jungen Soundcloud-Rappern. Die Hip-Hop-Szene hat mittlerweile ebenfalls ihre eigenen Traditionen und Regeln aufgestellt, so muss man komplexe, mit Wortspielen gespickte Texte schreiben, um überhaupt eine Chance auf Erfolg zu haben. Und wenn man halt mit Wörtern nicht auftrumpfen kann, sollte man indes möglichst schnell und technisch ausgefeilt rappen. Lil Pump und Co. erfüllen jedoch gar keines dieser Kriterien. Trotzdem machen sie weiterhin ihre Musik, haben Erfolg dabei und der grösste Teil der Hip-Hop Szene empfindet diese Entwicklung als irrsinnig befremdend. Somit sind hier ganz klare Parallelen zu erkennen.

Die Sex Pistols: Punk-Rocker und Idole einer ganzen Generation.
Jetzt könnte man argumentieren, dass dieser Vergleich etwas lahm sei. Aber das Interessante liegt etwa nicht im Soundcloud-Rap selbst, sondern, in was daraus entstehen könnte. Nachdem Punk die Rockmusik regelrecht zerstört hatte, entstanden wiederum unzählige Möglichkeiten zu neuen musikalischen Experimenten. Die Musiker der ehemaligen Punk-Bewegung fingen an, beispielsweise mit elektronischer Musik oder unkonventionellen Songstrukturen herumzuexperimentieren. Diese neu gefundene Offenheit und Freiheit resultierte in einer unglaublich kreativen Zeit, die man heute als «Post Punk» bezeichnet und die bis heute unsere Musik sehr stark beeinflusst.
Nun stellt sich die Frage, ob die Soundcloud-Rapper denselben radikalen Effekt in der Hip-Hop-Musik auslösen werden, wie es die Punks ihnen vierzig Jahre vorher vorgemacht haben. Sollten sie es schaffen, die Hip-Hop-Musik vollkommen umzukrempeln, wird dieses Genre wieder eine Phase voller Kreativität erleben, dem Post Punk ähnlich. Im Moment ist es noch nicht klar ersichtlich, ob diese Rapper so schnell wieder verpuffen werden wie sie aufgetaucht sind, oder ob sie effektiv die notwendige Veränderung erbringen werden, um die Hip-Hop Musik bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. Diese Musiker jedoch nur als kurzweilige Kuriositäten, die aus ihrer Neuartigkeit Profit schlagen, zu bezeichnen, wäre meiner Ansicht nach falsch und ich hoffe, dass Hip-Hop einen Weg aus der Sackgasse findet.
*Nicolás Lussi ist Sechstklässler.