Der Fischkrimi – Teil 1

Der Fischkrimi – Teil 1

Das Licht schien durch die dürren knospenden Äste auf das stille Wasser des Teiches. Ruhend zwischen der Sportanlage und dem Schulgebäude. Eine Insel der Natur, inmitten des Schulareals. Ich warf schon oftmals während der langweiligen Schulstunden einen Blick ins Gärtchen hinein. Nun stand ich selber hier. Hinter dem Maschendrahtzaun. Abgetrennt vom restlichen, zivilisierten Schulareal. Im trüben Wasser erblickte ich die glitzernden Schuppen der toten Fische. Drei Stück waren es. Zwischen den grün-braunen Algen, eingegraben in der braunen Erde. Drei Fische, als wären sie auf den Fischmarkt zum Verkauf ausgestellt. Einfach, dass sie im Schlamm langen. Ungeniessbar. Der Kommissar stand neben mir auf dem Kiesweg. Ein beständiges Knirschen drang in meine Ohren. Der Kommissar wippte unaufhörlich mit seinen Füssen. Rechts, links, rechts und wieder rechts, links. Ein unaufhörliches Knirschen. Unsere Schatten lagen still im Kies. Ihre schwarzen Ecken und Kanten schnitten sich in den körnigen Kies. Ich wartete. Eine Antwort, eine Erklärung, irgendetwas. Ich atmete. Ein, aus, Sauerstoff, Kohlendioxid. Der Kommissar blickte nun betrübt in den Teich. Ich sah, wie sich unsere Gesichter im Wasser widerspiegelten. Wie Kreaturen aus einer Parallelwelt starrten sie uns an. Urteilend. Waren wir etwa schuldig? Der Kommissar wandte seinen Blick vom Teich ab. Einen Notizblock holte er hervor. Er kritzelte hinein. Ich beobachtete ihn. Ich blickte ihn erwartungsvoll an. Er erwiderte meinen Blick nicht. Das Licht der Sonne blendete nun meine Augen. Alles um mich herum war mit einem grellen Licht überzogen. Dann der Kommissar plötzlich: «Die Fische sind ertrunken». Diese Worte sagte er, als wären sie das Selbstverständlichste dieser Welt. Ohne zu begreifen, wie sinnlos und unwirklich sie tatsächlich waren. Wieder blickten die Spiegelungen im Wasser uns an. Still und schweigend, aber ich spürte, dass sie über uns urteilten. Der Kommissar wandte wieder seinem Notizblock zu. Ich sah, dass die weissen Blätter ihn blendeten. Sie blendeten mich auch. Schliesslich konnte ich sein unerklärtes Schweigen nicht mehr ertragen. «Was meinen Sie mit ‘die Fische sind ertrunken’?», fragte ich ihn neutral. Als ob dies eine alltägliche Frage wäre. Keine Absurdität vorhanden. Es herrschte eine geladene Spannung in der Frühlingsluft. So kam es mir jedenfalls vor. Der Kommissar wirkte hingegen ruhig. Unwirklich ruhig. War er ein Mensch? Ich atmete. Er atmete. Und zwischendurch immer dieses nagende Knirschen. Rechts und links, rechts und links, wieder rechts und links. Dann hörte es plötzlich auf. Ich hörte, wie ein Wind durch die Büsche wehte. Ein Rascheln. Dann wieder Stille. Eine Wolke schob sich zwischen uns und die Sonne. Meine Augen, die sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, erblickten die Flora und Fauna in einem neuen Licht. Es verlieh ihnen eine Leblosigkeit. Ich spürte wieder den kalten Windhauch. Vorher war er noch eine angenehme Brise gewesen. Der Kommissar blickte auf. Sein lebloser Blick durchbohrte mich. Er nahm kurz Luft. «Die Fische sind ertrunken», verkündete er. Das Gesicht verzog dabei keine einzige Miene. Als wäre nichts absurd an dieser Aussage, als wäre sie absolut logisch. Vielleichte war sie auch logisch und ich war einfach wahnsinnig? Wieder dieses Wippen, dieses Knirschen. Es trieb mich fast in den Wahnsinn. Ich wandte mich vom Kommissar ab. Ich hatte genug erfahren. Ich lief dem kurzen Kiesweg entlang. Mit jedem Schritt knirschte es unter meinen Füssen. Ich war an der Pforte angekommen. Nach exakt zwölf Schritten. Hinter mir immer noch der Kommissar. Er überlegte sich viel. Er schrieb infolgedessen auch viel in seinem Notizbüchlein. Ich hörte das Kritzeln, das Reiben der Graphitspitze gegen das Notizpapier. Und wieder rechts, links, rechts, links. Das unaufhörliche Knirschen. Durch die Entfernung waren die Geräusche jedoch kaum hörbar. Plötzlich war es dann still. Kein Wippen, kein Rascheln. Auch die drei ertrunkenen Fische schwiegen. Als ich schliesslich die Pforte hinter mir schloss. Als ich die Insel der Natur verliess. Als ich mich wieder in den Schulalltag begab, da entfernte sich die einzelne Wolke. Unsere Verbindung mit der Sonne war wiederhergestellt. Die Schatten, die das neue Licht warf, waren harsch. Als ich die Pforte schon hinter mir geschlossen hatte und wieder in das grelle Licht blickte, welches das Gärtchen umfasste, da wurde mir bewusst, dass ich wahrlich wahnsinnig war.

«sh*it!» – Fragebogen mit Arina Wicki

«sh*it!» – Fragebogen mit Arina Wicki